2021
Klassenlose Wildnis. Natur und Geschichte
2021
erschien, herausgegeben vom Haus der Wildnis Lunz, der reich bebilderte Band „Klassenlose Wildnis. Natur und Geschichte“ über das Wildnisgebiet Dürrenstein und seine Besitzgeschichte.
Die Recherche führte zu einer Reihe jüdischer Besitzer bzw. Geschäftspartner und schließlich zum Haus Rothschild. Das Buch informiert über die Spielarten des parteipolitischen Antisemitismus in der Region, über Enteignung und Restitution der Familie Rothschild und dazwischen über die NS-(Wald-)Ideologie. Die Familiengeschichte Rothschild wird auch in Band II ausführlich dargestellt.
„Klassenlose Wildnis. Natur und Geschichte“
Der reich bebilderte Band „Klassenlose Wildnis. Natur und Geschichte“ über das Wildnisgebiet Dürrenstein und seine Besitzgeschichte erschien, herausgegeben vom Haus der Wildnis Lunz im Jahre 2021. Die Recherche führte zu einer Reihe jüdischer Besitzer bzw. Geschäftspartner und schließlich zum Haus Rothschild. Das Buch informiert über die Spielarten des parteipolitischen Antisemitismus in der Region, über Enteignung und Restitution der Familie Rothschild und dazwischen über die NS-(Wald-)Ideologie. Die Familiengeschichte Rothschild wird auch in Band II ausführlich dargestellt.
„Klassenlose Wildnis“ hat Geschichte. Das Wildnisgebiet Dürrenstein war, soweit die geschichtliche Erinnerung zurückreicht, im Einflussgebiet wechselnder Eigentümer und ihrer Interessen. Die einen haben den natürlichen Bestand erhalten oder wenigstens geschont, die anderen zerstörten ihn durch unumkehrbare Eingriffe. Die „Klassenlose Wildnis“ ist ein Lehrbeispiel dafür, welche Einstellungen zur Natur im Laufe der Geschichte zu welchen praktischen Maßnahmen geführt haben.
Im Laufe der überschaubaren zwei Jahrtausende, das sind gut vier Lebensalter von Baumriesen im Rothwald, waren am Gedeihen der Wälder im oberen Ybbs- und Erlauftal verschiedene Akteure beteiligt. Kelten und Römer verkehrten in diesen Tälern auf den Übergangswegen vom Binnen- nach Ufernorikum. Die slavischen Einwanderer kamen ins Ybbs- und Erlauftal in Wanderbewegungen die Täler aufwärts und gerieten unter awarische Oberherrschaft. Die bairischen Siedler drangen in der ersten Siedlungswelle schon im 9. Jh. bis nach Gaming vor. Nach der Lechfeldschlacht 955 und dem Sieg des Ostfränkischen Reiches über die Ungarn erfolgte die zweite großräumige bairische Besiedelung, die auf slavischen Siedlerprojekten aufbaute. Die bisherige Provinz Awaria wurde als Königsgut auf geistliche und weltliche Kolonisatoren aufgeteilt. Vor mehr als tausend Jahren wurden das mittlere und obere Erlauftal, organisiert vom Bistum Regensburg bzw. vom dortigen Kloster St. Emmeram aus mit bairischen Siedlern erschlossen und weiter gerodet, das mittlere und obere Ybbstal wurde links der Ybbs dem Bistum Freising überantwortet, rechts der Ybbs den Grafen von Seeburg und Gleiß. In beiden Tälern reichten die neuen Besitzungen bis zur heutigen Landesgrenze zur Steiermark und über Lassing und Mendling beinahe bis an die Enns. Sie umschlossen daher auch das heutige Wildnisgebiet Dürrenstein. Der wirtschaftliche Landausbau durch Entwässerung der Ebenen und durch Rodungen an den Hängen dauerte bis gegen 1300.
Als der Habsburger Landesherr Albrecht II. 1330 die Kartause Gaming gründete und mit aufgekauften Regensburger Ritterlehen reichlich ausstattete, waren noch 2.700 ha Urwald erhalten. Vor allem der Holzbedarf der Eisenerzeugung und Eisenverarbeitung schmälerte diesen Bestand bis zur Aufhebung der Kartause in 450 Jahren um 530 ha. In den folgenden knapp 45 Jahren schrumpfte der staatlich von der k.k. Kameralwirtschaft verwaltete Urwald um 650 ha auf 1.520 ha. Spekulanten und Waldschlächter zerstörten in weiteren knapp 45 Jahren 950 ha Urwald, eine Forstindustrie-AG ruinierte in nur 6 Jahren weitere 150 ha, sodass, als Albert Rothschild die Domänen Gaming und Waidhofen kaufte, nur mehr 420 ha Urwald übrig waren. Und um diesen Bestand ungeschmälert zu schützen und im Rahmen des heutigen Wildnisgebietes Dürrenstein-Lassingtal als Weltnaturerbe zu erhalten, brauchte es Querdenker und Visionäre, die Überwindung von Konflikten zwischen Forstwirten, Jägern und Naturschützern und schließlich naturschutzrechtlich verbindliche Vereinbarungen auf nationaler und internationaler Ebene. Und damit steht die „Klassenlose Wildnis“ den Ökologen als „Betriebslaboratorium“ zur Verfügung, dokumentiert die Waldgeschichte und ist ein einmaliges Naturdenkmal für die Geschichte Österreichs.