2013
Virtuelle Ausstellung für SchülerInnen ab der 8. Schulstufe: „Tragbares Vaterland“
Zeitreise
Die interaktive Wanderausstellung „Tragbares Vaterland“ ist das Folgeprojekt der Trilogie „Unsere jüdischen Landsleute und ihr tragbares Vaterland“ über die jüdischen MitbürgerInnen im Mostviertel.
Mithilfe dieser vión drei Schülerinnen der IT-HTL Ybbs erarbeiteten Diplomarbeit sollen die Anliegen der Integration der jüdischen Familien und Jugendlichen damals und der heutigen Migrantenfamilien und Jugendlichen auf spielerische Weise erarbeitet werden.
Ziel der Wanderausstellung ist es, Jugendlichen ab 12 Jahren Aufgaben und Hindernisse von Integration damals und heute in einem attraktiven Stationenbetrieb näherzubringen.
Träger des Projektes war ein Team aus Lehrern und Maturanten der IT-HTL Ybbs und besorgte die technischen Aufgaben bei der Präsentation der vom Nationalfonds, Zukunftsfonds und von der Niederösterreichischen Kulturförderung unterstützten und 2012 im papercomm-Verlag erschienenenTrilogie „Das tragbare Vaterland“ im Schloss Weinzierl bei Wieselburg und im Jüdischen Museum inWien.
Als spezielles Maturaprojekt programmierten vier MaturantInnen des IT-HTL-Maturajahrganges 2014 die interaktive Ausstellung „Tragbares Vaterland“, die für SchülerInnen ab der 8. Schulstufe ausgelegt ist. Dieses Projekt wurde von Nationalfonds und Zukunftsfonds, und besonders großzügig von der Kulturförderung des Landes NÖ unterstützt. Er wurde in die Gedenkplattform „erinnern.at“ aufgenommen und an mehreren Schulstandorten im Ybbs- und Erlauftal für SchülerInnen von NMS und Höheren Schulen angeboten.
Die nteraktive Ausstellung für Schulen informiert SchülerInnen ab 12 Jahren über „Unsere jüdischen Landsleute und ihr tragbares Vaterland“ gibt Einblick in das jüdisches Leben, in den österreichischen Patriotismus unserer jüdischen Landleute und in die Beziehung der Nachkommen dieser Familien in aller Welt zum Judentum und zu Österreich. Berührende Familiengeschichten erzählen von Verlorenen und Geretteten.
Mit den BesucherInnen der interaktiven Ausstellung, SchülerInnen ab der 8. Schulstufe, wird erarbeitet, ob und wie Österreich seine Rolle als integratives Bollwerk gegen Rassismus erfüllte und nach wie vor erfüllt oder nicht. Die Ausstellung führt kleine Gruppen von SchülerInnen durch sieben Stationen. Die Klasse, die die Ausstellung besucht, wird in sechs Gruppen eingeteilt. Jede Gruppe besucht in abwechselnder Reihenfolge sechs Stationen der Ausstellung. In Station 7 nehmen alle Gruppen am Wettbewerb „Tragbares Vaterland“ teil. In Feedback-Bögen schätzen die BesucherInnen ein, ob und wie sich ihre Einstellung zu Fragen der Integration, zur Rolle Österreichs usw. durch den Besuch der Ausstellung bestätigt oder verändert hat.
Die BegleitlehrerInnen erhalten einen schriftlichen Ausstellungs-Leitfaden , zu jeder Station liegen die Arbeitsblätter für die SchülerInnen bereit.
1. Station Zeitreise
Das Geschwisterpaar Lisa und Felix, Kinder einer jüdischen Mostviertler Familie, begleiten die TeilnehmerInnen auf einer Zeitreise und stellen dabei in Form einer 2-D-Animation mit 3-D-Effekten „Unsere jüdischen Landsleute und ihr tragbares Vaterland“ vor.
Lisa und Felix ließen die Kinder der Fam. Kraus aus Oberndorf. Sie entkamen der Verfolgung mit einem Kindertransport nach England.
Felix in seinem Element
2. Station Verlorene und Gerettete
Am Beispiel von 5 Familiengeschichten werden deren Heimat im Mostviertel, ihre gelungene oder gescheiterte Flucht, die Orte von Deportation und Vernichtung und neue Heimaten im Exil dargestellt. Dazu dient eine Touchscreen-Weltkarte. Interviews von Überlebenden dieser Familien sind abrufbar.
3. Station Zelt des Bundes
Sowohl jüdische Familien aus dem Mostviertel als auch ihre Gegner haben die rassistische Verfolgung religiös zu deuten versucht. Das weiße Zelt als Raum der Meditation und einschlägige Texte vor dem Zelt machen mit diesen religiösen Deutungsversuchen vertraut.
Raumausstattung: „leerer“ Raum, einige Schultische, 1 „Wand“ (Pinwand, Flipchat)
technische Ausstattung: weißes 3x3m-Zelt, weißes Tischchen, 9-armiger Chanukka-Leuchter, auf den Schultischen aufgelegte Texte, lange Zünder; CD-Player mit Klezmer-Musik Szene: Das weiße Zelt in einem leeren Zimmer/Turnsaal ist ein Raum der Stille. Auf dem weißen Tischchen steht der neunarmige Chanukka-Leuchter Die Art des Anzündens symbolisiert entweder die strenge oder die milde Auslegung der Tora durch das berühmte Rabbinerpaar Schammai und Hillel.
Auf einem Tisch vor dem Zelt liegen vier Texte, einer hängt an der Wand. Die Texte werden auf die TeilnehmerInnen aufgeteilt. Jedes Gruppenmitglied gibt zum vorgelegten Text einen Kurzbericht.
Psalm 23: „Gott ist mein Hirt“ wird (abschließend) gemeinsam gesprochen, wobei der Tisch umrundet wird. Für jedes Gruppenmitglied gibt es eine Kopie des Psalms.
Texte an den Wänden:
- Amstettner Anzeiger, November 1838: „Jehovas Pleite“
- Edith Lewin, From Vienna to New York
- Zitat vom Scrubbing (englischer Text: Das Wort „Passover“ ist die englische Version für „Pesach“).
- Karl Kraus, Three generations (englischer Text): Reaktion seines Vaters auf die Verfolgung
- Zweites Vatikanisches Konzil 1962-65: Kernsatz aus dem Dokument Nostra aetate
4. Station Österreich – Bollwerk gegen Rassismus?
In einer Diskussionsrunde wird erörtert, welche Rolle Österreich für diskriminierte Familien und Jugendliche damals für die jüdische Minderheit und heute für Zuwanderer spielt. Der „rote Sessel“ erlaubt, rassistische Statements zu äußern und in der Folge zu entkräften.
Raumausstattung: Sitzkreis
technische Ausstattung: roter Sessel
Szene: ungeschminkte Diskussion zum Thema Migration/Integration/Diskriminierung in Österreich in Geschichte und Gegenwart. Wer sich auf den roten Sessel setzt, darf auch verpönte Dinge sagen. Wer verpönte Dinge ausspricht, muss auf dem roten Sessel Platz nehmen.
Kommentar: Österreich wurde vor und nach 1938 von Freund und Feind als „Bollwerk“ bezeichnet. Sowohl die österreichischen Patrioten als auch ihre nationalsozialistischen Feinde waren sich darin einig, dass Österreich das entscheidende Bollwerk gegen Rassismus war. Den jüdischen Österreichern, besonders den Zionisten, war bewusst, dass Österreich dazu noch die Rolle eines Platzhalters für den noch nicht bestehenden jüdischen Staat zukam.
Texte an den Wänden:
- Die Stimme (Jüdische Zeitung 1933): „Wenn Österreich fiele…“
- Gauleiter zum Thema „Bollwerk“ in seinem „Ostmarkbrief“ 1938?
- Tages-aktuelle Zeitungsberichte
- Die Überlegungs-Fragen beziehen sich auf die Rolle Österreichs bis 1938 für die jüdische Minderheit, heute für die Zuwanderer und im Rahmen der EU-Politik gegen Rassismus und für Toleranz.
5. Station Felix in seinem Element
Felix, jetzt als Großvater (wieder 2-D-animiert mit 3D-Effekt) und das Memory-Spiel „Tau von Aleph“ vermitteln die 22 Buchstaben des hebräischen Alphabets als Geheim-Codes.
Lisas Gaumen- und Ohrenschmaus
6. Station Lisas Gaumen- und Ohrenschmaus
Lisa, jetzt Großmutter (wieder 2-D-animiert mit 3D-Effekt) bietet mit ihrem digitalen Kochbuch attraktive Beispiele für „Integration in der Küche“ mit Verkostung jüdischer
Süßspeisen. Die TeilnehmerInnen können mithilfe eines programmierten Synthezisers moderne Soundeffekte über die auf der Tonspur abgespielten jiddischen Lieder legen und so „Integration“ hörbar machen.
7. Station Tragbares Vaterland
Rund um den PixelSense Multitouch-Tischcomputer kommen alle Teilnehmergruppen zusammen und bestimmen jeweils ein Gruppenmitglied, das an diesem Tisch Platz nimmt.
In der Quiz-Show sollen – ähnlich den Aufgabenstellungen in der Millionen-Show – mithilfe der in den Stationen 1 bis 6 gesammelten Information auf die gestellten Fragen aus jeweils 4 gebotenen Möglichkeiten die richtigen Antworten gefunden werden. Jede Gruppe hat eine Reihe von Spielrunden, allerdings in unterschiedlicher Reihenfolge, innerhalb von
vorgegebenen Zeiten zu bewältigen.
Unmittelbar nach Ende der letzten Spielrunde, noch vor Bekanntgabe der Ergebnisse, füllen alle TeilnehmerInnen den Feedback-Bogen aus. Darin bewerten sie, wie ihnen das „Tragbare Vaterland“ zugesagt hat, welche Informationen für sie besonders neu und überraschend waren. Sie notieren, welche ihrer bisherigen Einstellungen sie beibehalten, in Frage stellen oder ändern werden.
Etwa zwei Wochen nach dem Besuch der virtuellen Ausstellung werden den TeilnehmerInnen von ihrem Begleitlehrer/ihrer Begleitlehrerin dieselben Einstellungsfragen neuerlich schriftlich vorgelegt. Der Vergleich der Ergebnisse zeigt, ob und wie das „Tragbare Vaterland“ zur Änderung ihrer Einstellungen zu Fragen der Migration, Integration, zur Rolle Österreichs usw. beiträgt. Die Ergebnisse werden vom Projektteam ausgewertet und an die AusstellungsbesucherInnen weitergeleitet.
Interessierten LehrerInnen/SchülerInnen wird weiteres „TragbaresVaterland“-Informationsmaterial für Projektarbeiten bzw. für Matura-Schwerpunkte angeboten.
Das gesamte Projekt „Interaktive Ausstellung“ programmierten die IT-HTL-Maturanten Sarah Binderlehner, Melanie Brunner, Maximilian Irlinger, Ronald Steinanauer unter den Projektbetreuern DI Altermüller und DI Pirringer. Sie erstellten alle eingesetzten Drucksorten und legten ihre Arbeit in Form einer mit „Sehr gut“ bewerteten Diplomarbeit an der IT-HTL Ybbs vor Die Anschaffung der technischen Geräte, TV-Geräte, Touchscreen-Tisch und Musikcomputer wurde durch Fördermittel des Nationalfonds, des Zukunftsfonds, der Niederösterreichischen Kulturförderung und der Niederösterreichischen Versicherung ermöglicht.